Pflanze des Monats September 2006 – Herbstzeitlose
Botanischer Name: Colchicum
Deutscher Name: Herbstzeitlose
Pflanzenfamilie: Colchicaceae (Zeitlosengewächse)
Namensgebung:
Der deutsche Name Herbstzeitlose deutet an, dass die bei uns vorkommende Art außer der Zeit blüht und fruchtet. Da die Früchte im Frühjahr kommen und die Blüten im Herbst, nannte man dieses Phänomen „filius ante patrem (der Sohn vor dem Vater)“.
Der lateinische Gattungsname Colchicum ist nach der griechischen Landschaft Kolchis benannt. Möglich ist hier auch ein Zusammenhang zwischen der Giftigkeit der Pflanze und der berühmtesten Giftmischerin des Altertums Medea, die in Kolchis lebte. Schon bei Dioskurides hieß die Pflanze Colchicon.
Botanik:
Die Herbstzeitlosen gehören zu den Liliengewächsen. Es gibt etwa 50 bis 80 Arten, die ihren Verbreitungsschwerpunkt in Vorder- und Mittelasien, Europa und Nordafrika haben. Charakteristisch für die Gruppe der Herbstzeitlosenähnlichen sind die Knollen, ein unterirdischer Schaft und grundständige Blätter. Die Blumenblätter, die man bei den Liliengewächsen Perigonblätter nennt, sind in einen langen schmalen Stiel, den sogenannten Nagel, ausgezogen. Bei den Herbstzeitlosen sind die Nägel zu einer Röhre vereinigt, die langen fadenförmigen Griffel sind vom Grund an frei. Die Blütenhülle ist trichterförmig, die zwei mal drei Perigonblätter länglich und aufrecht-abstehend. Die Blüten entstehen nicht aus der Knolle selbst, sondern aus einer kleinen Tochterknolle, die sich neben der Mutterknolle durch Verdickung des untersten Teils eines achselständigen Sprosses bildet. Der oberhalb der Tochterknolle befindliche Teil des Sprosses verlängert sich dann, bildet Blätter und hebt den tief unten liegenden, dreifächrigen Fruchtknoten bis zur Reifezeit über den Erdboden hinaus. Die Kapsel ist eiförmig, dreifurchig, oben scheidewandspaltig aufspringend.
Eine Reihe von Herbstzeitlosen-Arten blüht im Frühjahr und bildet dann auch Blätter, nur bei den Herbstblühern wie zum Beispiel bei der einzigen einheimischen Art Colchicum autumnale kommen die Blätter erst im kommenden Frühjahr. Die Kapsel mit den deutlich erkennbaren Griffelresten sitzt dann am Grunde der sie umschließenden drei Blätter.
Unsere einheimische Herbstzeitlose blüht von August bis Oktober. Sie ist auf feuchten, wenig gedüngten, aber basenreichen Wiesen zu finden. In der Eifel begleitet sie zum Beispiel die Bachtäler etwa der Urft auf den Mäh- und Weidewiesen.
Inhaltsstoffe und Verwendung:
Die Herbstzeitlose gehört zu den giftigsten Pflanzen unserer heimischen Flora. Alle Pflanzenteile enthalten das stark wirkende Alkaloid Colchicin und weitere strukturell ähnliche Verbindungen. Der höchste Gehalt findet sich im Samen, und zwar in der Samenschale. Das Kraut wird vom Vieh gemieden und muss bei der Heuernte ausgelesen werden. Mit dem Gras abgemähte Samenstängel und Blätter haben beim Verfüttern den Kühen schon oft den Tod gebracht. Auch im getrockneten Zustand verliert sich die Giftwirkung nicht. Das Gift geht sogar in die Milch von Kühen über, die Kraut oder Heu mit getrockneten Blättern und Samenkapseln gefressen hatten, und führt zu den weiter unten beschriebenen Vergiftungssymptomen. Kinder setzen sich einer starken Gefährdung aus, wenn sie mit der reifen Kapsel als Kinderrassel spielen. Es wird weiter von Schweinen berichtet, die die Zwiebeln ausgegraben und gefressen hatten.
Das Colchicin ist ein Kapillargift, das zur Kapillarerweiterung und schließlich zu einer schweren Schädigung der Blutgefäße führt. Die zunächst erregenden, später lähmenden Wirkungen erstrecken sich auf die glatte und auf die quergestreifte Muskulatur. Darüber hinaus hat Colchicin mitosehemmende Wirkungen.
Die ersten Vergifungssymptome treten nach relativ langer Latenzzeit (2-6 Stunden) auf. In vielem gleicht die Colchieinvergifung einer Arsenvergiftung „vegetabilisches Arsenik“. Es treten Brennen und Kratzen im Mund neben Schluckbeschwerden auf. Neben Übelkeit und Erbrechen ist die akute Gastroenteritis mit schleimig-wäßrigen, zum Teil blutigen Durchfallen charakteristisch. Neben einem dramatischen Blutdruckabfall führen Krämpfe und Lähmungserscheinungen sowie schließlich eine Atemlähmung zum Tod. Allerdings treten Colchicinvergiftungen nur selten nach einer Aufnahme von Pflanzenteilen auf, da eine ungewöhnliche Schärfe den Betroffenen sofort zum Ausspucken veranlasst. Die tödliche Dosis liegt bei etwa 5 g Samen für Erwachsene und 1 – 1,5 g für Kinder.
Wie Paracelsus schon erkannte: „Ein jegliches Ding ist Gift, und nichts ist ohne Gift, allein die Dosis macht, dass ein Ding Gift sei“; so liegen gerade bei der Herbstzeitlose Giftwirkung und therapeutisches Prinzip nahe beieinander. Standardisierte Verwendungen der Reinsubstanz Colchicin finden in der Gichttherapie erfolgreiche Anwendung. Hier sind Vergiftungsfälle durch Überdosierung in den Vergiftungszentralen bekannt geworden. Es trat der Tod durchschnittlich nach 36 bis 72 Stunden ein.
In letzter Zeit ist eine weitere schwerwiegende Anwendung von Colchicin und entsprechend eine Intoxikation bekannt geworden: Bei der Obduktion von Drogentoten wurde häufig Colchicin nachgewiesen, mit dem harte Drogen gestreckt wurden.
Eine therapeutische Maßnahme kommt meist wegen der relativ langen Latenzzeit zu spät. Bei dem geringsten Verdacht sollten daher zumindest symptomatische Maßnahmen ergriffen werden: Flüssigkeits- und Elektrolytersatz, Kreislaufmittel, Atropin gegen Damikrämpfe und künstliche Atmung.
Kulturansprüche:
Alle Herbstzeitlosen verlangen einen kühlfeuchten, mehr schweren Kulturboden bei einem sonnigen Standort. Die Knollen werden im August etwa 10 bis 20 cm tief gepflanzt. Bei Verpflanzungen, die ebenfalls im Spätsommer erfolgen sollen, werden Tochterknollen und alte Knollen voneinander getrennt. Während die heimische Herbstzeitlose C. autumnale in der Kultur wenig befriedigende Ergebnisse erzielt, sind alle anderen Arten im Steingarten dankbare Herbstblüher.
Arten im Botanischen Garten Wuppertal:
Neben C. autumnale L. können folgende Arten aus der Türkei beobachtet werden: C. baytopiorum BRICKELL (Antalya), C. byzantinum KER-GAWL., C. kotschyi, C. macrophyllum B.L.BURTT (Bozurum) und C. speciosum STEV. (Giresun und andere Standorte). Aus dem Himalaya stammt C. luteum BAK., eine im Gegensatz zu den weiß – rosa – violetten Arten gelbe Form. Der Balkan liefert die Arten C. arenarjum W.& K. und C. variegatum L. Aus dem Botanischen Garten Jambol ist C. diampolis DELIP.& CESCHM. ex KUZM.& KOZ als besondere Rarität zu erwähnen.
Text: Wolf Stieglitz, Apotheker und
Vorsitzender des Naturwissenschaftlichen Vereins Wuppertal
Foto: Frank Telöken
Quellenangabe:
ENCKE, F. (Hrsg.): Pareys Blumengärtnerei, Band I,
Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg 1958
FROHNE, D. & H.J. PFÄNDER Giftpflanzen, 3. Aufl., Stuttgart 1987
LEUNIS, J.: Synopsis der Pflanzenkunde, Band II. Hannover 1877